Frage 2: Misst die Deutsche Nachhaltigkeitsstategie den Wandel, den wir (messen) wollen?

Warum die Frage wichtig ist

Blickt man auf die einzelnen Zielbereiche und Indikatoren der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS), stellt sich auch für die Wissenschaft die Frage: Messen wir mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie überhaupt auch den Wandel, den wir (messen) wollen? Konkreter gefragt: Reicht uns etwa unser Beitrag zu SDG1 (Armut in jeder Form und überall beenden), wenn wir in Deutschland den „Anteil der Personen, die materiell depriviert und erheblich depriviert sind, bis 2030 deutlich unter EU-28 Wert“ halten? Oder gäbe es andere Zielbereiche und Indikatoren für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die SDG 1 besser oder ergänzend abbilden könnten?

Solche Fragen sind ein wichtiger Teil des Weiterentwicklungsprozesses der Strategie. Der Indikatorenbericht etwa reflektiert Divergenzen zwischen der Zuverlässigkeit der Ziele, der Indikatorenbewertungen und dem statistisch Machbaren – schlägt dabei aber keine Veränderungen vor. Veränderungen werden indes im politischen Prozess der Strategieweiterentwicklung vorgeschlagen, unter anderem von einzelnen Regierungsressorts oder von Gesellschaftsvertretern im Konsultationsprozess. Zielbereiche und Indikatoren werden dann entsprechend für jede Aktualisierung der Strategie angepasst.

Für die Revision der Strategie 2018 wurde beispielsweise geprüft, sechs zusätzliche Indikatoren mit aufzunehmen und Änderungen zu einigen bestehenden Indikatoren vorzunehmen. In der in 2018 überarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie wurden so die bisher insgesamt 63 Indikatoren zu 36 Zielbereichen um vier weitere Indikatoren zu zwei neuen Bereichen ergänzt.

Eine systematische wissenschaftliche Kommentierung ist auch für die Ersetzung, Ergänzung und Änderungen von Zielbereichen und Indikatoren von hoher Bedeutung – damit entsprechende Vorschläge auch mit soliden wissenschaftlichen Grundlagen ausgestattet sind.

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Beispiel & Experten-Interview

Ein Beispiel für einen umstrittenen Indikator ist der „GINI-Koeffizient Einkommen nach Sozialtransfer bis 2030 unterhalb des EU-28-Wertes“, der die Fortschritte messen soll für das DNS-Ziel 10.2 “Verbesserung der Verteilungsgerechtigkeit”.

Neben der generellen wissenschaftlichen Debatte über die Aussagekraft des Gini-Koeffizienten ist im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bemerkenswert: Der Indikatorenbericht 2018 erfasst fünf Indikatoren: Drei für die Einkommensverteilung und zwei für die Vermögenverteilung. Die Gesamtbewertung des Zielbereichs Verteilungsgerechtigkeit aber – “zu große Ungleichheit innerhalb Deutschlands verhindern” – beruht allein auf einem dieser Indikatoren. Und zwar auf dem verfügbaren Äquivalenzeinkommen (Einkommen nach Steuern und Abgaben), das in Deutschland etwa im europäischen Vergleich verhältnismäßig gerecht verteilt ist. Legt man den Fokus also nur darauf, könnte etwa ein kritisches Auseinanderdriften von Einkommens- und Vermögensverteilung aus dem Blick geraten.

Zudem wird zwar unter “Ziel und Intention des Indikators” im Indikatorenbericht erläutert: Obwohl „Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung […] ein grundsätzlich akzeptierter Bestandteil einer dynamischen Marktwirtschaft“ ist, soll die „Einkommens- und Vermögensspreizung moderat […] und die soziale Teilhabe aller gewährleistet bleiben“. Es wird aber weder genauer erklärt, was als eine moderate Vermögensspreizung gilt noch wie diese eine soziale Teilhabe gewährleistet.

Insgesamt stellt sich daher die Frage, ob dieser und andere Indikatoren und Zielbereiche eine nachhaltige Entwicklung in und durch Deutschland angemessen abbilden.

Im folgenden Experten-Interview mit Stefan Liebig wird diese Frage am Beispiel von Verteilungsgerechtigkeit vertieft. Es illustriert so beispielhaft mögliche Zugänge für eine wissenschaftliche Kommentierung der Frage: Misst die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie den Wandel, den wir (messen) wollen?

Wie Sie kommentieren können

Das Interview mit Stefan Liebig zeigt beispielhaft mögliche Zugänge für eine wissenschaftliche Kommentierung der Konsultationsfrage 2: Misst die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie den Wandel, den wir (messen) wollen?

Zentrale Anknüpfungspunkte für die wissenschaftliche Kommentierung dieser Fragestellung sind:

  • Welche bestehenden Indikatoren bilden nicht  – oder nur unzureichend – das definierte Nachhaltigkeitsziel ab? Welche alternativen Indikatoren können das Nachhaltigkeitsziel besser oder ergänzend abbilden?
  • Wo bestehen ‚blinde Flecken‘, die durch die bestehenden Indikatoren und Zielsetzungen der DNS bisher nicht oder nur unzureichend abgebildet werden?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu den genannten zentralen Anknüpfungspunkten zur Konsultationsfrage 2 arbeiten, sind eingeladen an der Online-Kommentierung teilzunehmen. Beiträge sollten sich auf 7.000 Zeichen beschränken, inklusive Verweise auf bestehende, derzeitig unternommene und zukünftige Forschungsvorhaben. Bei Bedarf können Sie für Ihren Kommentar auch eine eigene spezifische Fragestellung von der Leitfrage ableiten.

Sollten Sie darüber hinaus an einem vertiefenden Austausch zu diesen Fragestellungen mit der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 interessiert sein, laden wir Sie ebenfalls herzlich ein, das in Ihrem Beitrag zu vermerken. Alle Kommentierungsbeiträge werden über die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 sondiert und zu gebündelten Empfehlungen für den Weiterentwicklungsprozess der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aufbereitet.

 

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